Berufungszeugnis von G. Trutmann
Gott – lebendig und nah
Schon als Kind durfte ich erfahren: Gott ist kein ferner Gedanke, sondern lebendig und real. Diese Gewissheit hat mein Leben tief geprägt. Die Verbindung zu Gott und zur Kirche wurde zu einem festen Bestandteil meines Daseins. Ob in Freude oder im Kreuz – ich wusste: Jesus ist da. Er liebt mich unendlich.
Die Sehnsucht nach Ganzhingabe
Während andere Jugendliche unterwegs waren oder sich amüsierten, zog es mich in die Stille – zu Gott. Auch wenn Beziehungen möglich gewesen wären, spürte ich, dass mein Herz anders ausgerichtet war: auf Ihn.
In jungen Jahren schrieb ich neun Zettel – je drei mit „Ehe“, „Kloster/geweihtes Leben“ und „ledig“. Ich bat Gott, mir durch das Ziehen der Zettel seinen Willen zu zeigen. Dreimal zog ich „Kloster/geweihtes Leben“. Doch ich wusste: Gott lässt uns den freien Willen.
Später begann ich, verschiedene Klöster und geistliche Gemeinschaften zu besuchen. Überall – bis auf einen Ort – öffneten sich Türen. Doch entweder fühlte ich mich nicht zu Hause oder familiäre und berufliche Umstände hinderten mich.
Das beharrliche Klopfen Gottes
Ich ging meinem Beruf nach, die Jahre vergingen – aber der Gedanke an ein gottgeweihtes Leben blieb. Immer wenn von Berufung die Rede war, klopfte es an mein Herz. Ich wehrte mich. Schliesslich bat ich einen erfahrenen Priester, für mich zu beten – damit diese Gedanken verschwinden. Doch sie blieben.
Ich nahm an charismatischen Exerzitien teil – mit dem Wunsch nach Klarheit. Während einer besonderen Gebetszeit trat jede einzelne Person vor das Allerheiligste, kniete sich auf die Kniebank und verweilte in der eucharistischen Gegenwart Jesu. Der Priester betete für jede Person einzeln und schlug dabei – ohne vorherige Auswahl – eine Bibelstelle auf, im Vertrauen darauf, dass Gott durch sein Wort spricht.
Als ich an der Reihe war, bat ich Jesus im Stillen: „Zeige mir den Weg.“ Der Priester schlug die Bibel auf – und sein Blick fiel auf Johannes 5: die Geschichte vom Lahmen am Teich Bethesda. Die Worte trafen mich tief. Ich fühlte mich wie der Kranke – wartend, aber unfähig, ins Wasser zu steigen. Und dann kommt Jesus und fragt: „Willst du?“
Die Entscheidung reift
Am Ende der Exerzitien sagte mir der Priester, ich solle mich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden. Ich dachte: Das ist zu schnell – unmöglich. Doch Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken (Jesaja 55,8).
Ich nahm Kontakt zum Verantwortlichen des Ordo virginum auf und sprach ganz offen mit ihm. Insgeheim dachte ich: Wenn er Nein sagt, wäre es einfacher… Doch stattdessen sagte er: „Sie könnten Anfang nächsten Jahres geweiht werden.“ Es waren weniger als vier Monate bis dahin.
Ich bat Gott um ein letztes Zeichen: „Entweder gibst Du mir jetzt eine Bibelstelle, die ganz eindeutig ist – oder ich lasse es sein.“ Ich schlug die Bibel auf – mein Finger landete bei Hohelied 7,11: „Ich gehöre meinem Geliebten, und ihn verlangt nach mir.“
Das war eine klare Einladung. Und zugleich eine Gewissheit: Gott will Dich – Gott ruft Dich. So sagte ich zu Christus: „Ok – ich gebe Dir mein Ja.“ In diesem Moment überkam mich eine unbeschreibliche Freude. Tränen liefen über mein Gesicht. Und so fiel die Entscheidung innerhalb jenes Zeitraums, den mir der Priester genannt hatte.
Geistliche Vorbereitung
Ein halbes Jahr vor meiner Weihe reiste ich nach Medjugorje. Dort weihte mich ein Priester der Muttergottes und schenkte mir ein Benediktuskreuz.
Kurz vor der Jungfrauenweihe zog ich mich in die Stille zurück. Während einer Andacht für schwerstkranke Menschen trat ich ebenfalls vor einen Priester. Ich erzählte ihm von meinem bevorstehenden Schritt. Nach der Feier legte er mir die Hände auf und betete – für mich und für das, was vor mir lag. Es war ein stiller, gesegneter Moment vor dem grossen Tag.
Die Weihe – ein Freudentag
Der Tag der Weihe war ein Freudentag. Neun Tage lang fühlte es sich an, als ob Hände auf meinem Haupt ruhten – so gewaltig war die Gnade. Ein halbes Jahr später durfte ich sogar unerwartet auf „Hochzeitsreise“ ins Heilige Land. Ich sage gerne: Jesus wollte mir seine irdische Heimat zeigen.
Der Ruf bleibt lebendig
Viele Zeichen begleiteten meinen Weg. Doch am Ende bleibt: Berufung ist ein Ruf Gottes – und zugleich eine persönliche Entscheidung. Niemand kann sie einem abnehmen. Im Gebet zeigt Gott jedem den Weg: zur Ehe, zum geweihten Leben oder zur Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. Jeder Stand hat seine eigene Würde. Entscheidend ist, dass wir offen sind für Gottes Ruf – und bereit, ihm mit ganzem Herzen zu folgen.
Für Frauen im Ordo virginum bedeutet dieser Ruf eine besondere Form der Christusnachfolge: in Ehelosigkeit, in der Welt, in geistlicher Verbundenheit mit der Kirche. Es ist ein Leben aus der Berufung – und für die Berufung anderer.